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Arbeitsrechtsbasics für Schichtbetriebe: Mutterschutz, Beschäftigungsverbot und Elternzeit
Interview mit Smaro Sideri - Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Mutterschutz, Beschäftigungsverbot und Elternzeit – drei Themen, die in Schichtbetrieben immer wieder Fragen aufwerfen. Welche Rechte haben Mitarbeitende? Welche Pflichten müssen Arbeitgebende erfüllen? Und wie lässt sich all das im laufenden Betrieb rechtssicher umsetzen?
Darüber spricht Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Smaro Sideri im Expert Talk mit gastromatic. Sie erklärt, was Arbeitgeber:innen im Umgang mit Schwangerschaften, Mutterschutzfristen und Elternzeit wissen müssen – praxisnah, verständlich und auf die Realität in Schichtbetrieben zugeschnitten.
Über Smaro Sideri:
Smaro Sideri ist seit 20 Jahren Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach verschiedenen Anstellungen, unter anderem auch in einer Personalabteilung, ist sie seit acht Jahren selbstständig in ihrer eigenen Kanzlei. Im Expert Talk mit gastromatic spricht sie über die wichtigsten arbeitsrechtlichen Grundlagen für Schichtbetriebe.
gastromatic: Es geht um das Kernthema Schwangerschaft im Arbeitsverhältnis. Was sollten Arbeitgeber:innen grundsätzlich wissen?
Smaro: Das Wichtigste vorab: Die Regelungen aus dem Mutterschutzgesetz gelten in allen Betrieben, unabhängig von der Betriebsgröße. Selbst wenn nur drei oder vier Personen in einem Betrieb arbeiten und eine davon schwanger wird, greift der volle Schutz. Das wissen kleine Arbeitgeber:innen manchmal nicht.
Das Mutterschutzgesetz sagt in § 15, dass die Schwangerschaft mitgeteilt werden "soll", sobald die Frau Kenntnis davon hat. Es ist aber eine Sollvorschrift ohne feste Frist – die Entscheidung liegt im Ermessen der schwangeren Person. Oft wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche mitgeteilt, aber je nach Tätigkeit kann es sinnvoll sein, das früher zu tun. Der Arbeitgeber kann dann ein ärztliches Attest zum voraussichtlichen Entbindungstermin verlangen.
gastromatic: Welche Einschränkungen gibt es bei der Beschäftigung schwangerer Mitarbeiter:innen, besonders in Schichtbetrieben?
Smaro: Es gibt mehrere wichtige Punkte: Erstens die Arbeitszeiten – schwangere Personen dürfen maximal 8,5 Stunden täglich oder 90 Stunden in einer Doppelwoche arbeiten. Zweitens ist Nachtarbeit zwischen 20 und 6 Uhr grundsätzlich verboten, allerdings gibt es Ausnahmeregelungen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, wenn die Person einverstanden ist.
gastromatic: Und wie sieht es mit Sonn- und Feiertagsarbeit aus?
Smaro: Auch hier besteht grundsätzlich ein Verbot, außer die schwangere Person entscheidet sich ausdrücklich dafür oder es liegt eine behördliche Genehmigung vor. Wichtig ist auch: Schwangere haben ein Recht auf bezahlte Freistellung für ärztliche Vorsorgeuntersuchungen.
gastromatic: Kannst du uns die Mutterschutzfristen erklären?
Smaro: Gerne! Es gibt zwei Hauptfristen: Sechs Wochen vor der Entbindung besteht ein relatives Beschäftigungsverbot – das bedeutet, die schwangere Person kann auf Wunsch trotzdem arbeiten, kann diese Entscheidung aber jederzeit widerrufen. Nach der Entbindung gilt ein absolutes Beschäftigungsverbot von acht Wochen, das nicht verkürzt werden kann. Insgesamt sind das 14 Wochen, die sich je nach tatsächlichem Entbindungstermin verschieben können.
gastromatic: Gibt es Besonderheiten bei Komplikationen?
Smaro: Ja, bei Frühgeburten, Mehrlingsgeburten oder wenn eine Behinderung beim Kind festgestellt wird, verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung auf zwölf Wochen. Ganz neu ab Juni dieses Jahres: Es gibt jetzt auch gestaffelte Mutterschutzfristen nach Fehlgeburten, abhängig von der Schwangerschaftswoche.
gastromatic: Was ist der Unterschied zwischen ärztlichem und betrieblichem Beschäftigungsverbot?
Smaro: Das ärztliche Beschäftigungsverbot wird von Ärzt:innen aus medizinischen Gründen ausgestellt, wenn die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet ist. Das betriebliche Beschäftigungsverbot hingegen stellt der Arbeitgeber aus, wenn die Tätigkeit selbst nicht schwangerschaftskompatibel ist – auch wenn die Person gesundheitlich fit ist.
gastromatic: Wie läuft das betriebliche Beschäftigungsverbot ab?
Smaro: Hier gibt es eine klare Reihenfolge: Erst muss geprüft werden, ob der Arbeitsplatz umgestaltet werden kann. Wenn das nicht möglich ist, muss eine Umsetzung oder Versetzung an einen anderen geeigneten Arbeitsplatz geprüft werden. Erst wenn beides nicht funktioniert, kann ein betriebliches Beschäftigungsverbot ausgestellt werden. Wichtig: Manche Krankenkassen wollen diese Prüfschritte dokumentiert sehen, bevor sie erstatten.
gastromatic: Welcher Kündigungsschutz besteht während der Schwangerschaft?
Smaro: Schwangere haben einen besonderen Kündigungsschutz während der gesamten Schwangerschaft und vier Monate nach der Entbindung. Das gilt von Anfang an im Arbeitsverhältnis – auch in der Probezeit. Bei befristeten Verträgen läuft der Vertrag aber normal aus. Ausnahmen gibt es nur in besonderen Fällen wie Betriebsschließungen, dann muss aber eine behördliche Zustimmung eingeholt werden.
gastromatic: Wie verhält es sich mit dem Urlaub?
Smaro: Während der Mutterschutzfristen und Beschäftigungsverbote laufen die Urlaubsansprüche normal weiter. Dieser Urlaub wird quasi "eingefroren" und kann nach der Entbindung oder nach einer eventuellen Elternzeit genommen werden.
gastromatic: Kommen wir zur Elternzeit – wer hat denn Anspruch darauf?
Smaro: Sowohl Mütter als auch Väter haben genau den gleichen Anspruch auf Elternzeit – das ist nach vielen Jahren immer noch nicht allen bekannt! Jeder Elternteil kann bis zu drei Jahre Elternzeit nehmen, wenn ein Kind unter acht Jahren im eigenen Haushalt betreut wird. Wichtig: Elternzeit und Elterngeld sind zwei verschiedene Dinge. Die Elternzeit ist eine unbezahlte Freistellung vom Arbeitgeber.
gastromatic: Wie ist die Elternzeit aufgeteilt?
Smaro: Die drei Jahre können in bis zu drei Abschnitte aufgeteilt werden. Bis zu 24 Monate können zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes genommen werden. Für Mütter werden die acht Wochen Mutterschutz auf die Elternzeit angerechnet, wenn sie direkt nach der Geburt Elternzeit nehmen.
gastromatic: Wie muss Elternzeit beantragt werden?
Smaro: Hier gibt es eine aktuelle Änderung: Die Elternzeit muss nicht mehr schriftlich beantragt werden, sondern kann in Textform – also per E-Mail – beantragt werden. Es braucht kein spezielles Formular, ein frei formulierter Text mit Name des Kindes, Beginn und Dauer der Elternzeit reicht aus.
gastromatic: Welche Fristen gibt es?
Smaro: Für die Elternzeit bis zum dritten Lebensjahr des Kindes muss der Antrag sieben Wochen vorher gestellt werden. Für die spätere Elternzeit zwischen dem dritten und achten Lebensjahr beträgt die Frist 13 Wochen.
gastromatic: Und der Kündigungsschutz?
Ab dem Moment der Antragstellung – also dem Versenden der E-Mail – bis zum Ende der Elternzeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz. Das Gesetz gibt noch eine Woche Puffer zu den regulären Antragsfristen dazu.
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